Hier ist immer Karneval - Peter Stger ber eine neue 11FREUNDE

Publish date: 2024-11-08

Peter Stöger, Sie tragen ja eine schwarze Brille. Wo ist denn das rot-weiße Gestell?
Das trage ich meis­tens bei Spielen. Ich habe meh­rere Brillen und da einiges ange­sam­melt. Ein Freund von mir aus Wien ist Optiker und hat mir zu jedem Verein, wo ich mal war – und das waren doch schon ein paar – Brillen in den Klub­farben gemacht. Das ist echt witzig. Aber ich wusste nicht, ob ich die rote bekomme.

Warum nicht?
Er ist Fan von Aus­tria Wien und war ziem­lich ent­täuscht, als ich vor zwei Jahren gegangen bin. Aber er hat mir eine Brille geschickt und die trage ich auch gerne. Rot-Weiß sind natür­lich die Farben des 1. FC Köln, aber auch von Öster­reich.

In Köln sind bunte Out­fits populär, gerade an Kar­neval, wo Sie sehr prä­sent sind. Gab es so etwas in Ihrer Heimat Öster­reich?
Nein, so eine Kultur gibt es bei uns nicht. Außer­halb von Wien gibt es in einigen Gemeinden schon Kar­ne­vals­fes­ti­vi­täten, aber das redu­ziert sich auf den Faschings­dienstag. Da ist in Köln eigent­lich schon alles vorbei. Dafür ist hier das ganze rest­liche Jahr Kar­neval (lacht).

War das ein Kul­tur­schock für Sie, bei Kar­ne­vals­feiern als FC-Trainer mit­zu­ma­chen?
Es war schon extrem, diese Men­schen­massen auf den Straßen und alles bleibt fried­lich. Das hat richtig Spaß gemacht, da war ich froh, dass wir ent­schieden haben, mit­zu­ma­chen. Als ich her­ge­kommen bin, saßen wir mit Geschäfts­füh­rung und Vor­stand zusammen und wir waren alle der Mei­nung, dass man das nicht trennen kann. Kar­neval ist hier ein Kul­turgut. Klar kann es sein, dass du vor dem Rosen­mon­tagszug ver­lierst und die Leute die Kamelle auf den Wagen zurück­werfen. Als Verein musst du dazu stehen, in guten und schlechten sport­li­chen Zeiten.

Trotzdem passte es zwi­schen Öster­rei­chern und Köl­nern. Sie haben sich vorab beim frü­heren FC-Tor­jäger Toni Polster und beim ehe­ma­ligen For­tuna-Trainer Hans Krankl erkun­digt. Was haben sie Ihnen gesagt?
Dass die Leute ziem­lich offen sind, aber auch sehr direkt. Da muss man manchmal schon ein dickes Fell haben. Aber wenn man sich privat nicht wohl­fühlt in Köln, macht man selbst was falsch. Das kann ich bestä­tigen. Die Leute haben mich über­haupt nicht gekannt, als ich herkam, viel­leicht vorher mal gegoo­gelt, aber waren positiv und unter­stüt­zend. Das hat mir vom Start weg gut­getan.

Passt Wiener Schmäh zum Kölner Humor?
Ich glaube schon, dass ich einen eini­ger­maßen guten Witz habe, ein biss­chen hin­ter­gründig und zynisch viel­leicht. Man kann Spieler kri­ti­sieren, indem man sie per­sön­lich unter der Gür­tel­linie angreift. Das mache ich nie. Ich ver­packe Kritik lieber in einem Witz. Das war anfangs nicht so ein­fach für die Jungs zu ver­stehen, mitt­ler­weile haben sie ein Gespür dafür.

An der Kabine hing ein Zettel mit öster­rei­chi­schem Fuß­ball­vo­ka­bular. Zum Bei­spiel?
Wir haben gefor­dert, die Spieler sollen die erste Stange anlaufen. Hier heißt das Pfosten, in Öster­reich nennt man so einen nicht ganz so intel­li­genten Mensch. Es ent­wi­ckelt sich. Ich ver­stehe Spaß, das wissen die Spieler. Mir ist das Mit­tel­ding wichtig, dass wir kon­se­quent an einer Übung arbeiten und in der Trink­pause hätte ich es gerne wieder lustig. Wir haben das Pri­vileg, einen tollen Job zu haben. Das muss nicht immer ernst sein.

Es gibt einen alten Spruch. Deut­sche denken: Die Lage ist ernst, aber nicht hoff­nungslos. Öster­rei­cher denken: Die Lage ist hoff­nungslos, aber nicht ernst.
Mir ist Sport sehr wichtig, die Ziel­set­zung, dass wir in der Liga bleiben, weil ich weiß, was das für Stadt und die Leute hier bedeutet. Aber mir ist auch klar, dass es weitaus erns­tere Sachen gibt, als ob wir auf Platz 12, 13 oder 15 stehen. Ich ver­suche jedem klar­zu­ma­chen, dass das, was wir erleben, etwas Beson­deres und auch wert­zu­schätzen ist.

Köln wirkt in der Außen­dar­stel­lung und in der Spiel­weise der­zeit seriös wie selten. Lässt sich Ernst durch Spaß errei­chen?
Das wider­spricht sich des­wegen nicht, weil die Arbeit im Trai­ning schon mit Spaß ver­bunden ist, aber wir hoch­kon­zen­triert sein müssen, um unsere Leis­tung abzu­rufen. Um den Verein in der Bun­des­liga zu eta­blieren.

Ist Ernst­haf­tig­keit schwer in Kölns Umfeld?
Nichts ist leichter in Köln, als dass du die ganze Woche rie­siges Theater hast. Zwei, drei Aus­sagen und du hast Stress und Kla­mauk pur in dieser Stadt. Man muss ein biss­chen gegen­steuern, aber auch die Euphorie des Umfeldes abfärben lassen auf uns. Die Arbeit sollte aber solide sein.

Wie sieht solide Arbeit aus in Köln?
Wir sind noch nicht in der Lage, Spek­takel zu ver­an­stalten. Bei uns gibt es nicht die her­aus­ra­genden Ein­zel­spieler, die per­ma­nent in den Medien stehen. Was uns aus­zeichnet, ist die Gruppe. Wenn die Gruppe der Star ist, ist das nicht wahn­sinnig spek­ta­kulär, aber ziel­ori­en­tiert.

Ihr Ex-Trainer Ernst Happel sagte, Sie hätten sich als Spieler zu viel Druck gemacht.
Wenn man Ernst Happel gekannt hat, ist das eine rie­sige Aus­zeich­nung, sonst hätte er gesagt, der kann über­haupt nicht kicken. Ich habe mir ange­eignet, dass man ziel­strebig arbeiten muss, aber Fuß­ball ein Spiel ist, das Spaß machen soll. Das ist immer schwie­riger, das Spiel wird immer lauf­in­ten­siver und von der Taktik geprägt. Der Spaß­faktor sollte da sein, das ver­suche ich mit­zu­geben. Unsere Gesell­schaft wird immer erfolgs­ori­en­tierter, von klein auf, das macht es schwie­riger, die Mischung zu finden aus dem, was du wirk­lich inves­tieren musst, und dabei nicht zu ver­gessen, dass es ein Spiel ist.

Sie waren 2006 als Sport­di­rektor Meister in Wien, gingen dann als Trainer in die Dritte Liga. Hat das Ihren Blick ver­än­dert?
Es hat mir gut­getan. Ich bin demütig, was es in Köln für Mög­lich­keiten gibt. In der öster­rei­chi­schen Regio­nal­liga war das Budget klein, es gab keine Kohle, ich habe nebenbei als Fern­seh­ana­ly­tiker gear­beitet. Wenn man das Trai­ning ansetzen muss, wenn die Jungs von der Arbeit kommen, sich fragt, ob es dann Licht gibt oder das Warm­wasser bezahlt ist, damit sie duschen können, dann weiß man alles hier wert­zu­schätzen. Wir leben im Fuß­ball in einem pri­vi­le­gierten Bereich, das ver­suche ich zu genießen. Aber auch etwas zu inves­tieren, um dieses Level zu bestä­tigen oder gar anzu­heben.

Sie arbeiten mit einem Sozio­logen zusammen. Wie hilft der Ihnen und dem Team?
Ich glaube, dass man sich nicht auf­fressen lassen darf vom Fuß­ball. Das funk­tio­niert nur mit intaktem Umfeld, Leuten, mit denen man sich aus­tau­schen kann. Werner Zöch­ling ist ein biss­chen Außen­ste­hender und hat einen beson­deren Blick. Er ist nicht nur für die Ein­zel­spieler da, wenn sie ihn brau­chen, auch für mich. Du bekommst Feed­back und nimmst etwas auf. Das ist in einem Umfeld wie dem Pro­fi­fuß­ball ganz wichtig.

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